Ein Segeltörn ist nicht nur im Süden schön

Auch die steife Brise des Nordens schreckt uns nicht.

Nach dem überraschenden Tod unseres Skippers und Teammitglieds Dieter im Frühsommer, war der für Herbst 2018 geplante Segeltörn unseres Teams plötzlich in Frage gestellt. Wir haben uns nach eingehender  Beratung, auch im Sinne unseres verstorbenen Segelkameraden, dahingehend entschieden mit einer verkleinerten Crew einen Segeltörn durchzuführen. Dieser sollte jedoch nicht wie ursprünglich geplant im Mittelmeer,  sondern in etwas kühleren Gefilden,  im Norden Europas durchgeführt werden.

Daher entschlossen wir uns für ein bis dahin unbekanntes und neues Revier,  das Ijsselmeer in den Niederlanden. Kurzentschlossen charterten wir uns eine Bavaria 35 um ausgehend vom  malerischen Badeort Lemmer unseren Törn zu beginnen. Unsere Erwartungen an diesen Urlaub waren,  aufgrund unserer schönen Erinnerungen, die wir mit unserem verstorbenen Crewmitglied im Mittelmeer vorher erlebten, durchweg gedämpft.

Zum Skipper und verantwortlichen Bootsführer wurde ich bestimmt,  da bereits im Vorfeld alle organisatorischen Maßnahmen zur Durchführung incl. Charter des Bootes über mich liefen und entsprechende Charterreferenzen aus der Vergangenheit  vorgelegt werden konnten. Ich  sah mich dieser verantwortungsvollen Aufgabe,  nur durch die  gute kameradschaftliche Zusammenarbeit, die ich bereits in der Vergangenheit erleben konnte, dazu  in der Lage diese Position zu übernehmen.

Die Crew im Einzelnen:

Joachim der Mann für die komplizierten Kurse

Gero, der Mann der eigentlich auf die AIDA wollt

Peter, der Mann auf dessen Navigation alle vertrauen

Markus, der zum Skipper kam, wie die Jungfrau zum Kinde

Nach einer 6 stündigen Autofahrt gelangten wir am 15. September gegen 11 Uhr an unser Ziel. Nachdem das Boot vorschriftsmäßig von uns übernommen und inspiziert wurde,  gingen wir zunächst daran, uns in den sich in der Nähe befindlichen Supermärkten mit Bordproviant und Getränken einzudecken und diese Seegangsicher zu verstauen.

Am späten Nachmittag starteten wir zu einer ersten kurzen Fahrt, um uns mit den spezifischen Eigenschaften der Bavaria 35 unter Segeln und Motor und dem uns bislang unbekannten Reviers vertraut zu machen.

 

Sehr ungewohnt und beunruhigend für jeden von uns war, die relativ geringe Wassertiefe des Ijsselmeeres,  die an vielen Stellen unter Kiel teilweise weniger als 1 Meter betrug.  Bei der Vielzahl von Untiefen und der vorhanden Berufsschifahrtsstraßen würde unser Navigator Peter zu einem gefragten Mann werden. Am Abend kehrten wir  mit neuen Erfahrungen und ersten Eindrücken in unseren Heimathafen Lemmer zurück. Dort nahmen wir abends im historischen Bereich der Innenstadt am malerischen Kanal ein gemeinsames Abendessen zu uns  und legten den groben Kurs für die kommenden Tage fest.

Sonntagsmorgens um  10 Uhr liefen wir nach dem traditionellen Rührei mit Speck Frühstück des Skippers zu unserem ersten Streckenziel bei leichtem Wind um 4-5 Bf und strahlendem Sonnenschein aus. Die zurückzulegende Strecke von lediglich 19 SM sollte daher kein außerordentliches Problem darstellen. Wir mussten jedoch schnell feststellen,  dass die große Sandbank vor Lemmer und weitere Untiefen entlang des Ufers bis zu unserem Etappenziel, bei der vorherrschenden Windrichtung aus N/O zu weiten Schlägen führte und uns zu unerwartet vielen Manövern zwang. Einige andere Segler die unzureichenden Abstand zu den  Untiefen hielten liefen auf den vorgelagerten Sandbänken auf und mussten freigeschleppt werden.

Zur Wasserrettung und dem Freischleppen von Booten auf dem Ijsselmeer wäre insbesondere zu erwähnen,  dass man nur die Hilfe des offiziellen niederländischen Seerettungsdienst Telefon: +31 (0)900 0111 in solchen Fällen annehmen sollte. Wir wurden eindringlich davor gewarnt uns mit Schlepp Piraten,  die in fast jedem Hafen des Ijsselmeeres zu finden sind, einzulassen.  Die Motorboote dieser  „modernen Seeräuber“  sind i.d.R.  rot lackiert und erwecken somit einen offiziellen Eindruck. Für diesen privaten Service  wird bereits für einfachste Hilfeleistung eine Rechnung über mehrere tausend Euro gestellt.  Die Bergungsgelder werden mit fotografischen Beweismitteln bei den verantwortlichen Bootsführern eingefordert.  Also Finger weg bei zugeworfenen Tauen durch private Motorboote, es sei denn bei Lebensgefahr.

Am frühen Nachmittag liefen wir in den äußeren Hafen von Stavoren ein. Da der historische Hafen im Ortsinneren, nur über schmale Kanäle zu erreichen ist, es empfiehlt sich rechtzeitig einen Yachthafen anzulaufen,  um noch einen der begehrten Liegeplätze zu erhalten. Vielerorts sind die historischen und malerisch gelegene Hafenanlagen innerorts für Boote mit größerem Tiefgang nicht erreichbar.

Ein Stadtrundgang mit einem gemütlichen Abendessen und einer typischen Spezialität dieser Küstenregion, siehe Bilder abgerundet mit einem Glas Genever schlossen diesen ersten Streckentag ab. Montagsmoorgens ging es mit aufkommen des ersten Windes gegen 10 Uhr in direktem Kurs zum geplanten Tagesziel auf der gegenüberliegenden Seite des Ijsselmeeres,  Medenblik.  Die vor uns liegende Strecke würde aufgrund der vorherrschenden Windrichtung,  mit leichter Welle und der relative geringen Entfernung von gerade mal 12 SM die reinste Spazierfahrt bei  Halbwindkurs.

Somit konnten wir den Yachthafen von Medenblik  unweit der historischen Burganlage bereits um 14 Uhr erreichen. Dadurch waren in der Lage,  dem Schluss des alljährlich im September stattfindenden,  traditionellen Pferderennens durch den Stadtkern beizuwohnen.  Auch unser Abendessen am Rande des innerorts gelegen historischen Stadthafens,  ließ bei abendlicher  Septemberwoche keine Wünsche für Männer in festen Händen übrig.

Für Dienstagnachmittag wurden durch den lokalen Wetterdienst  gegen 15 Uhr Starkwind mit  7 Bf und Böen bis zu 9 Bf angekündigt.  Die geplante Strecke von Medemblik bis Enkhuizen mit einer Länge von 11 SM, sollte bei rechtzeitigen auslaufen aus dem Hafen kein außerordentliches Problem darstellen. Bedauerlicherweise war der für 10 Uhr geplante Start, bezüglich der sich nähernden Starkwindfront nicht bei allen Crewmitgliedern angekommen, so wir dass wir erst  mit einer einstündigen Verzögerung den Hafen verlassen konnten.

Ein sorgender Blick Richtung Nordsee begleitete uns unentwegt, da wir verständlicherweise ungern mit Böen um 80 KM und mehr in einem fremden Hafen einlaufen möchten. Letztendlich  müsste das Boot unter diesen Umständen zwischen den Anlegepoldern noch schadenfrei angelegt werden.

Da wir nicht zum Motorboot fahren anreisten,  haben wir uns entschlossen so lange wie möglich unter Segeln zu laufen. Trotzt eines abrupten Kurswechsels, den wir aufgrund einer nicht in der aktuellen Seekarte verzeichneten Untiefe durchführen mussten,  erreichten wir kurz nach 13 Uhr den Yachthafen von Enkhuizen.

Nach einer kurzen Anmeldung beim Hafenmeister erhielten wir einen Windgeschützten Liegeplatz im inneren Bereich des großen Yachthafens zugeteilt.  Schnell noch einmal die Maschine gestartet um mit zügiger Fahrt die uns zugewiesene Liegebucht angelaufen.  Auf dem offenen Wasser waren bereits die ersten einfallenden Starkwindböen erkennbar.  Aufgrund des relativ flachen Wassers, kann  das Ijsselmeer bei Starkwind, innerhalb kürzester Zeit  sehr steile Wellen  mit 2 bis 3 Metern Höhe aufbauen.

An diesem Tag hatten wir jedoch Glück und der ankommende Starkwind endete nach nur einer Stunde und die Wolken verschwanden für den Rest des Tages. Endlich konnten wir diesen schönen,  historischen Ort, der seine Sehenswürdigkeiten und Reichtum der Niederländischen Ostindien-Kompanie (VOC) Ende des 16. Jahrhunderts   verdankt  endlich besuchen.

Ein Rundgang durch das Freilichtmuseum, das die gut erhaltenen Gebäude und das Dorfleben der Fischer eines damaligen Vorort aus dem 19 Jahrhundert zeigt,  ein Rundgang durch das städtische Museum das sich unmittelbar am Yachthafen befindet  und ein Stadtrundgang entlang der historischen Gebäude der VOC,  gestalteten diesen Tag zu einem beeindruckenden Landausflug.

Am Mittwoch des darauf folgenden Tages, der im Übrigen auch der erste Tag mit geschlossener Wolkendecke und kühlem Wind in dieser Woche war,  setzten wir pünktlich zum Einsetzen des Windes gegen 10:30 Segel in Richtung Lelystad. Die vor uns liegende Strecke von 15 SM sollte bei dem gleichmäßigen vorherrschenden Wind aus Nord östlicher Richtung kommend, uns innerhalb weniger Stunden  uns an unser Tagesziel bringen. Geplant war ein Besuch auf der Batavia Werft, die  in den 1980er Jahren zur originalgetreuen Rekonstruktion des gleichnamigen Segelschiffes aus dem 16. Jh. , erbaut wurde.

Bereits nach wenigen Kilometern, die wir mit dem typischen Holländerrad, welches wir von unserem Jachthafen geliehen bekamen, erreichten wir den Nachbau des einstigen Stolzes der Holländischen Seefahrt. Der Besuch des Museums, welches heute  vorwiegend mit der Herstellung von Ersatzteilen und dem Erhalt, für das seit fast 40 Jahren Wind und Wetter trotzenden Segelschiffes betraut ist,  war genau wie der Besuch des Schiffes der interessanteste Teil unseres  Ausfluges nach Lelystad.

Der Ort selbst, der den typischen Charakter einer Wohnstadt der 70er und 80er Jahre trägt,  ist uninteressant. Auch der Besuch eines netten Restaurants oder Kaffees gestaltete sich auch sehr kompliziert. Die offizielle Schließzeiten von 2 Kaffees (18 Uhr),  veranlassten das Personal bereits kurz nach 17 Uhr uns beim betreten, mit dem Hinweis man würde gleich schließen, zurück zuweisen.  Deshalb zogen wir es vor,  uns auf unser Schiff zurückzuziehen und der Skipper bereitete uns Tortellini a la Markus.

Freitags am letzten Tag unserer Reise stand die Rückkehr in unseren Heimathafen Lemmer auf dem Programm.  Im Vorfeld wusste niemand von uns das diese Rückfahrt von nur wenigen Seemeilen mit Wind von Achtern, sich zu einem nervenaufreiben Unterfangen entwickeln sollte.

Die Wellen liefen auf dem gesamten Kurs,  von Backbord achterlich kommenden unter dem Rumpf hindurch, was das Schiff in ständige Rollbewegungen versetzte, denen mit kurzem und  schnellen Gegensteuer begegnet  werden musste.

Am Nachmittag liefen wir gegen 14 Uhr im Industriehafen von Lemmer ein um unser Boot neu zu betanken, die Wassertanks zu füllen und den Fäkalientank zu leeren. Aufgrund des ständig vorherrschenden Windes lag unser Kraftstoffverbrauch unter 10 Liter da die Maschine lediglich zum Ein- und Auslaufen im Hafenbereich genutzt wurde und auf dem offenen Wasser ausschließlich gesegelt wurde. Nachdem wir unser Schiff, trotz kräftiger Böen die eine aufkommende Schlechtwetterfront für die Folgetage ankündigte, unbeschadet am Heimatliegeplatz vertäut hatten, gingen wir daran das Deck zu reinigen, was aufgrund von Teamarbeit in einer halben Stunde erledigt war. Unsere anfänglich gedämpften Erwartungen an den bevorstehenden Törn, wurden rückblickend auf die vergangen Tage, keineswegs bestätigt. Das Ijsselmeer ist, wenn auch nur ein sehr großes Binnenrevier mit dem Flair eines Meeres,  ein sehr schönes und anspruchsvolles Segelrevier mit vielen bleibenden Eindrücken. Wir werden auf jedem Fall zu gegebener Zeit zurückkehren. (von Rechts nach Links)  Peter Hantschel, Joachim Dillschneider, Gero Gimmler, Markus Omyla.

 

Törn Bericht  Markus Omyla